Gipsvorkommen in Forchtenberg
Trotz aller Nachforschungen ist es nicht gelungen, den Beginn der Gipsgewinnung aus dem Forchtenberger Burgberg zu bestimmen. Das Gipsvorkommen tritt nirgendwo an der Oberfläche zu Tage. Daher liegt die Vermutung nahe, dass man auf dieses Vorkommen nur durch Zufall gestoßen ist, beispielsweise beim Ausgraben für einen tiefen Weinkeller. Dafür spricht auch, dass verschiedene Zugänge zum Stollen direkt in und an der Stadt liegen. So befand sich unter dem ehemaligen Haus der Künstlerfamilie Kern bis 1875 ein Zugang zum Stollen. Es ist anzunehmen, dass man bereits Ende des 15. Jahrhunderts vom Gipsvorkommen wusste, dieser aber mangels Bedarf nicht genutzt wurde. Erst mit dem Wandel in der Bildhauerei ab 1600 stieg das Interesse und der Bedarf an Gipsstein (Alabaster).
Die direkte Nähe zum begehrten Rohstoff kam der Forchtenberger Steinmetzfamilie Kern bei ihrem rasanten gesellschaftlichen Aufstieg vom einfachen Maurer zum hoch angesehenen Künstler äußerst zu Gute. Nach dem Aussterben der Kerns gegen Ende des 17. Jahrhunderts ging der Abbau zurück. Der gewonnene Gips wurde zum Tünchen von Decken und Wänden eingesetzt. Erst als der "Gipsapostel" Pfarrer Mayer (1745-1798) in Kupferzell die Verwendung von Gips als Düngemittel propagierte, erlebte der Gipsbruch einen Aufschwung. In folgenden 150 Jahren wurden immer wieder Vorstöße unternommen, den qualitativ anerkannt hochwertigen Gips aus dem Stadtberg zu gewinnen. Aber immer mussten die Arbeiten abgebrochen werden, da Gärten, Häuser und die Stadtmauer nachrutschten und Schaden erlitten.
Als die Verwendung von Gips als Dünger endete, baute man ein Gipswerk, um sich auf die veränderten Absatzmöglichkeiten einzustellen: Verschiedene gebrannte Gips und ab 1933 auch Gipsdielen. Der Stukkateurgips aus Forchtenberg gelangte zu überregionalem Ruhm. Im Kriegsjahr 1943 wurde in einem eigens dafür gegrabenen 100 m langen Stollen ein Außenwerk des luftangriffsgefährdeten NSU-Werkes in Neckarsulm eingerichtet. Die Gipsförderung im eigentlichen Stollen, der für die Aufnahme von Maschinen und Arbeitern des NSU-Werkes ungeeignet war, ruhte ab dieser Zeit.
1944 wurde der Werkbetrieb der NSU mit 30 Stammarbeitern und 60 Zwangsarbeitern in den "weiten Hallen" aufgenommen. Während der Bombardierung und Beschießung von Forchtenberg im April 1945 zogen viele Forchtenberger mit Hab und Gut in den Stollen, da zu dieser Zeit dort kaum noch gearbeitet wurde. Unmittelbar nach Kriegsende wurde der Gipsabbau wieder aufgenommen und erreichte durch die Wiederaufbauarbeiten seinen Höhepunkt. Ab 1948 wurde unter großen Mühen und finanziellem Aufwand versucht, neue rentable Abbaustätten zu erkunden. Aber vergeblich, die Gipsgewinnung in Forchtenberg war 1953 nach wohl 400 Jahren am Ende.